kroatien-rallye 2017

17. KROATIEN-RALLYE2017
1200 fahrintensive Kilometer in fünf Tagen. Neben grandiosen Landschaften zwischen Meer und Gebirge bot die 17. Kroatien-Rallye den Teilnehmern auch manchen „Abenteuerspielplatz“.

Autor: Christof Krüger

Der Helm ist festgeschnallt und während das Adrenalin bereits den Puls hochtreibt, streife ich noch die Handschuhe über. Dann geht’s auch schon los, ich spüre den Fahrtwind, die Räder beschleunigen aus dem Stand auf 60, 70, 80 km/h ... Die Zeit scheint stillzustehen, während meine Sinne die Eindrücke der vorbeifliegenden Landschaft registrieren. Nach schier endlos scheinenden Sekunden kommt die Felswand immer näher. Jetzt heißt es rasch reagieren. Also ziehe ich den Bremshebel und gehe kräftig in die Eisen – bis mich der Instruktor freundlich begrüßt: „Yep. Well done!“

Die Eisen, das sind faustdicke Stahlseile, auf denen sechs kleine Profilräder laufen. Daran befestigt ein Gurtsystem, in das die Teilnehmer unserer kleinen Gruppe nacheinander eingeklinkt wurden. Hinter uns liegt die steilabfallende Schlucht von Omiš, der Cetina Canyon, den wir gerade in 100 Metern Höhe in einem Drahtseilakt überquert haben. Der Ganze nennt sich Zip-Lining und entwickelt sich nach der ersten von sechs rasanten „Lines“ zu einem dreistündigen Abenteuerspaß mit Suchtpotenzial. Es ist mal eine ganz andere Art der Fortbewegung als auf unseren erdgebundenen, benzingetriebenen Zweirädern, die uns in diese grandiose Landschaft geführt haben: Wir sind mitten drin, in der Kroatien-Rallye 2017, haben heute unseren „freien Tag“. Und während sich die meisten Reiseteilnehmer zu einer Ausfahrt zu den Brückenspringern von Mostar aufgemacht haben, die sich im Freiflug 19 Meter in den Fluß Neretva stürzen, wollten wir der Schwerkraft per Zip-Lining ein Schnäppchen schlagen. Doch der Reihe nach.


Die große Reiseenduro lässt sich willig dirigieren

Start- und Sammelpunkt der Kroatien-Rallye 2017, die Veranstalterin Lixi Laufer schon seit 17 Jahren und nun seit neuestem mit ihrem Netzwerk „Kroatien Experten“ organisiert, ist das Küstenstädtchen Umag im Norden Istriens, knapp 50 Kilometer vom italienischen Triest entfernt. Vom südlicheren Deutschland aus wäre Umag in einer strammen, größtenteils autobahngebundenen Tagesetappe zu machen gewesen. Doch zum einen ist natürlich auch bei dieser Tour bereits der Weg, sprich die Anreise, das Ziel. Zum anderen bin ich testweise mit der neuen BMW R 1200 GS unterwegs – und dachte, wir sollten uns zunächst etwas aneinander gewöhnen. Was sich als unnötig herausstellt, denn vor der großen BMW Reiseenduro muss man keinerlei Berührungsängste haben: Willig lassen sich die mit Fahrer und Gepäck aufaddierten 360 Kilogramm Lebendgewicht über mehr und minder gut (aus)gebaute Straßen dirigieren. Der Boxer-Wumms ist in allen Schaltstufen präsent und verteilt sich mit hoher Elastizität über ein breites Drehzahlband. Das Fahrwerk liegt beim Rausbeschleunigen aus den Kurvenradien souverän auf dem Asphalt. Ohne groß die Finessen aus der GS rausgekitzelt zu haben, sind wir nach diversen österreichischen österreichischen Berg- und Talfahrten am Faaker See hinter Villach bereits „ziemlich beste Freunde“. (...)

Am nächsten Morgen geht es von Kranjska Gora bei strahlendem Sonnenschein und in frischer Bergluft weiter in den Naravni/Triglav Nationalpark. Zwar hatte mich am Abend zuvor der Kellner noch gewarnt, dass die Passstraße wegen dringender Bauarbeiten immer wieder mal gesperrt sei. Doch schließlich sitze ich auf einer Enduro und ignoriere ich die mir gelegentlich entgegenkommenden, lichthupenden und händefuchtelnden Autofahrer auf  der engen Serpentinenstraße – bis vor mir ein respektabler Bagger auftaucht, der gerade die Ladefläche eines ebenso respektablen Lkw füttert. Er beißt vorne auf dem Steilstück den brüchigen Asphalt weg, während die „Streetworker“ dahinter der neuen Teerschicht den Boden bereiten: auf 30 Metern ist die Fahrbahn um etwa 50 Zentimeter abgesenkt, der Belag besteht aus Walderde und losem Schotter.

Doch scheinen die Männer vom slowenischen Tiefbau Vertrauen in den deutschen Motorradbau zu haben. Der Reißzahn des Baggers wird gestoppt und ich werde durchgewunken. Geht auch alles ganz gut – bis ich auf der anderen Seite die Hürde zurück auf den alten Belag nicht ganz schaffe. Vermutlich mit zu viel Respekt und zu wenig Schwung angefahren. Das Hinterrad dreht durch und gräbt sich ein. Ich stehe bergwärts, das Muli will nicht weiter. Meine neuen Freunde kommen mit Eimern zu Hilfe, doch der vors Hinterrad gestreute Schotter bringt mich auch nicht weiter. Dann die Eingebung. Ich hebe den Zeigefinger, tippe erst an den Helm und dann auf den Schalter für Fahrwerksmodi. Denn BMW hat dieser GS außer ihrem „Exclusive“-Outfit noch allerhand praktische Zusatzpakete mitgegeben, unter anderem die elektronische Fahrwerksregelung Dynamik ESA. Dabei ist der Modus „Enduro“ ja gerade auf das Befahren loser Untergründe mit Straßenbereifung getrimmt: Die Traktionskontrolle greift später ein, das Schlupfniveau wird merklich erhöht – und wupp sind wir wieder auf der Straße. Die Bauarbeiter zeigen mir lachend „Daumen hoch“ und ich winke zum Abschied. „Danke, Jungs!“ (...) 


Zu Besuch bei Istriens Trüffelkönig

Feinstes Trüffelöl Olivenöl und andere Spezialitäten bietet "Zinagte Tartufi" in Livade

Tourguid Pavle kennt sich nicht nur in der Gegend, sondern auch mit den Spezialitäten Istriens betens aus. So legen wir unseren ersten Stopp in Livade ein. Das Örtchen im Hinterland ist bekannt für sein besonderes Trüffel-Olivenöl. „Trüffelkönig“ Giancarlo Zigante ist auf die wertvolle Knolle spezialisiert, hat in den letzten 20 Jahren über 1000 Kilogramm aus dem Erdreich geholt, darunter auch den weltweit größten weißen Trüffel mit einem Gewicht von 1,3 Kilogramm. Eingedeckt mit dem kostbaren Öl machen wir uns auf den Weg ins Učka-Gebirge, das die Provinzen Istrien und Kvarner verbindet. Auf der alten Passstraße erreichen wir den höchsten Gipfel des Bergmassivs, den Vojak, 1401 Meter über dem Meeresspiegel. Gleich neben der Radio- und TV-Sendestation, geht es noch ein Stück zu Fuß hinauf zum steinernen Grenz- und Aussichtsturm. Von hier aus bietet sich ein sensationeller Ausblick über die Halbinsel Istrien, der bei guten Sichtverhältnissen sogar bis nach Venedig reicht. Eine Körperdrehung weiter liegt dem Betrachter dann die gesamte Kvarner Bucht mit ihren vielen Inseln und dem das Hinterland dominierenden Gorski-Kotar-Gebirge zu Füßen.


Kulinarische Bio-Spezialitäten in der einsamen Berghütte

Dorthin, ins Gorski-Kotar-Gebirge, entführt uns Pavle dann auch – nicht ohne eine Kaffeepause an der Küste im hübschen, von der k-und-k-Monarchie geprägten Städtchen Opatija einzulegen. Unser Tourguide nimmt die kleinen, verborgenen Sträßchen; Strecken, auf  die man sonst höchsten zufällig treffen würde. Pavle kennt die Bergwelt in- und auswendig. Kein Wunder, ist er doch hier oben, in Fužine, geboren. Er führt uns scheinbar beliebig über verschlungene Wege, wo sich luftiger Mischwald mit saftiger Wiesenlandschaft abwechselt. Doch er hat natürlich ein Ziel: Als wir uns einer Lichtung nähern, verzögert unser Guide, hebt die Hand und setzt den Blinker. Unscheinbar am Wegrand, mitten in dieser gottverlassenen Gegend lockt die Berghütte „Vagabundina koliba“. Ein Geheimtipp und Restaurant der besonderen Art. Hier wird alles frisch zubereitet und die Gerichte raffiniert mit Bergkräutern verfeinert, ein Fest für den Gaumen. Wer es vegetarisch oder vegan mag, dem sei die „Gemischte Platte mit Pilzen, Brennesselpuffer, Polenta, Getreide und Gemüse“ und zum Nachtisch ein Hafer-Apfelstrudel empfohlen. Alles „bio“, versteht sich. (...)


Pueblo Plateau: Kulisse für Winnetou-Filme
Am folgenden Morgen ruft schon das nächste Abenteuer. Wir sind unterwegs zu einem der Schauplätze der Winnetou-Filme und müssen dazu unsere Motorräder in Offroad-Manier stehend über die zerfurchte Erde der Hochebene zwischen Maslenica und Obrovac treiben. Größere Steinbrocken zieren immer wieder den tückischen Trail. Doch Manitu und BMW sei dank kommen wir unbeschadet am Pueblo Plateau an. Der Name ist (Kino-)Programm: Exakt hier hatte Winnetou sein Pueblo errichtet, genau hier wurden Winnetou und Old Shatterhand zu Blutsbrüdern und hier standen Sam Hawkens, Dick Stone und Will Parker am Marterpfahl, während unten am Rio Pecos Old Shatterhand und Winnetous Vater Intschu-tschuna ums Überleben kämpften.
Der Rio Pecos heißt eigentlich Zrmanja – und jeder der über die Abrisskante des 200 Meter steil abfallenden Canyons blickt, weiß, warum der kroatische Filmarchitekt und Filmscout Vladimir Tadej diesen Ort für Filme wie „Winnetou 1 und 3“, „Old Surehand“ oder „Winnetou und Old Schatterhand im Tal der Toten“ ausgesucht hat: Eine gewaltigere Filmkulisse für die Karl-May-Geschichten könnte wohl selbst der „Wilde Westen“ nicht bieten. Da ein Abstieg zum Zrmanja lebensgefährlich wäre, satteln wir auf und reiten auf regulären Pfaden hinunter nach Obrovac, um am schattigen Ufer des Flusses zu rasten. Howgh! (...)


Von Omiš aus machten die Piraten die Adria unsicher

Nach einem weiteren ereignisreichen Tag beziehen wir für zwei Nächte in luftiger Höhe Quartier. Das Hotel Villa Dvor in Omiš wurde auf einen gewaltigen Felsen platziert. Rezeption, Zimmer und das Restaurant mit Aussichtsterrasse können die Gäste über mehr als 100 Steinstufen erklettern oder – bequemer – im Felsinnern per Aufzug erreichen. Oben angekommen, eröffnet sich der nächste atemberaubende Blick dieser Kroatien-Rallye. Vor dem Betrachter liegen die gesamte  Altstadt und der Hafen von Omiš, der sich zur azurblauen Adria hin öffnet. Landeinwärts werden die zwei mächtigen Bergfelsen Mosor und Dinara tief unten von der Flußmündung der smaragdgrünen Cetina durchschnitten. Angesichts der naturgegebenen, strategisch überragenden Lage wundert es nicht, dass sich Omiš im Mittelalter zu einem berühmt-berüchtigten Piratennest entwickelte. Die Seeräuber machten von hier aus weite Teile der Adria unsicher und gefährdeten den venezianischen Seehandel. Drohte ihnen Ungemach setzten sich die Piraten mit leichten Booten schnell über die Cetina ins Landesinnere ab.

Dalmatinische Peka in der alten Flussmühle

Wir tun es den alten Haudegen der Meere gleich und haben ein Boot gemietet, um den Cetina Canyon einmal zu Wasser und nicht auf den eingangs beschriebenen Zip-Lines zu erkunden. Neben Freeclimbern, die in den Felshängen kleben, gibt es hier jede Menge Naturschönheiten zu entdecken, von frei lebenden Schildkröten bis zu den unterschiedlichsten Flussvögeln, auf die uns unser Tourguide aufmerksam macht. Unter Wasser, so die weitere Erklärung, könne man in Mündungsnähe sowohl Salz- als auch Süßwasserfische angeln, je nachdem wie tief der Haken hängt: Das Meer drückt das schwerere Salzwasser unter dem Flusswasser ein Stück weit gegen die Strömung flussaufwärts. So gibt es denn auch frischen Fisch auf der Speisekarte als wir einige Kilometer weiter oben bei den Radman Mühlen anlegen. Doch die eigentliche Spezialität der alten Flussmühle sind frisch gebackenes Brot sowie die dalmatinische Peka. Dabei wird eine große Platte mit Fleisch oder Fisch und Gemüse unter einer gusseisernen Glocke in der offenen Glut der Feuerstelle gegart. (...)

Das Veranstaltungsteam und die Tourguides ernten viel Lob für die gute Organisation. Und bevor die Sonne vollends hinter den Inseln im Meer versinkt, nehmen alle Teilnehmer in ihren Kroatien-Rallye-T-Shirts Aufstellung für das Abschiedsgruppenbild. Auf den Shirts stehen die Etappenziele der Tour. Und darüber auf kroatisch „Zajedno do cilja!“, übersetzt: „Gemeinsam zum Ziel!“ Ein besseres Motto dürfte es für die Teilnehmer und ihre Tourguides kaum geben. „Gemeinsam zum Ziel ...“ Ich beziehe diesen Leitsatz aber auch auf die neue BMW R 1200 GS mit ihrer hilfreichen Technik, die auf unterschiedliche Fahrsituationen die richtige Antwort hatte. Auf der ereignisreichen Tour sind wir nicht nur „ziemlich“, sondern gänzlich beste Freunde geworden.


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